Eine Höhenfahrt der Gefühle, diesmal nicht für mich, sondern für Axel. Es fängt damit an, dass Axel kurz nach dem Aufstehen sein Gesicht verzieht und sagt, dass ihn der ganze Dreck hier überall total nerve und er es kaum erwarten kann, endlich in Kennedy Meadows zu sein. Auch Marlboro Man ist heute Morgen nicht gut drauf und stöhnt, nach einem Blick auf das bevorstehende Höhenprofil und die Aussicht, nach genau 6 Meilen wieder einmal den ganzen Rucksack voll Wasser zu beladen, da wir erst am nächsten Vormittag zu einer gesicherten Wasserquelle kommen werden.
Der Wüstenfrust geht also um!
Noch auf dem Weg zum möglichen Wassercache bei Meile 6 offenbart mir Axel, dass seit zwei Tagen sein linkes Knie schmerze und er momentan nicht mehr Kanada, als das große Ziel vor Augen habe,
sondern South Lake Tahoe.
Ich bin erst mal geplättet. Mein Hauptziel auf diesem Weg, das ich unbedingt erreichen will, liegt nämlich in Oregon, also hinter South Lake Tahoe. Genauso wie Marlboro Man heute durchhängt, gehe
ich erst mal davon aus, dass auch Axel irgendwie mental angeschlagen ist.
Und kaum, dass wir den Wassercache bei Meile 6 erreichen, ändert sich auch schlagartig die Stimmung.
Trailangel haben Zitronenkuchen, Kekse, Obst und zuckerhaltige Getränke aufgefahren, um ausgedörrte Hiker zu erfreuen und nebenbei auch noch den Geburtstag des Schwiegersohnes, der auch auf dem
Trail unterwegs ist, zu feiern.
Wir freuen uns riesig, nehmen alles dankend an, was wir nur greifen können und als wir mit vollgeladenen Wasserrucksäcken Richtung nächsten Anstieg stapfen, ist plötzlich wieder die Rede vom
großen Ziel Kanada!
Die gute Laune hält genau solange, bis klar wird, dass unsere dringend benötigten Schuhe nicht nach Kennedy Meadows geliefert werden, da unsere Bank aus Sicherheitsgründen mal eben die
Kreditkarte gesperrt hat und somit die Zahlung nicht ausgeführt werden konnte. Da wir hier aber derzeit in einem Funkloch hocken, haben wir keine Möglichkeit die Karte wieder entsperren zu
lassen. Die ganze Trailmagic ist dahin ...
Was auf dem Trail zurzeit immer mehr an Bedeutung gewinnt, ist die feine Balance, die zwischen Wohlbefinden und Unwohlsein, Zufriedenheit und Frust entscheidet. Jeden Tag im Schnitt 20 Meilen zu laufen ist eine Herausforderung, aber mehr psychisch als physisch, weil wir bspw. nicht jeden Tag gleich viel Lust dazu haben. Dann kommen die ganzen Widrigkeiten wie kein Wasser, der Staub, langweilige, eintönige Landschaften und schlechte Wege hinzu.Vielleicht kommt dazu noch Hunger, Zuckermangel und ein schlecht sitzender Rucksack oder Schuh hinzu und ganz plötzlich stellt man sich die Frage der Fragen: Warum?
Und genauso schnell, wie man sich in diese Spirale hinein manövrieren kann, so schnell findet man auch heraus, wenn der richtige Schlüsselmoment da ist. Noch funktioniert das zumindest so.
Ach, zur Landschaft heute: Wüste eben!!!
Nicht mehr und nicht weniger.
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